Travel on two wheels

12. Tag: Mo., 7.4.: Erzingen – Mulhouse (127km)

Nach einer tollen Beherbergung und einer Nacht in einem echten Bett setze ich mich recht früh morgens rheinabwärts in Bewegung. In Waldshut stoße ich wieder zum Radweg am Fluss, der vor allem auf schweizerischer Seite wie gewohnt unschlagbar gut ausgebaut ist. Nach den ersten 70km des Tages passiert es: Die Gesamtkilometer am Tacho werden vierstellig. Ich kann es nicht ganz glauben, dass es schon 1000km waren bis jetzt. Verrückt.
Basel bleibt mir als sehr schöne, pittoreske Stadt in Erinnerung. Ich rolle genüsslich durch die Gassen und über den Hauptplatz, wo mich auch prompt mehrere Leute ansprechen, unter anderem ein junger Brasilianer, der selbst einmal durch Italien gebiket ist, und ein Herr reiferen Alters, der mich sehr nett fragt, ob ich denn Hilfe oder Auskunft bräuchte. Die brauche ich ausnahmsweise einmal nicht, denn zurzeit sind meine Gedanken sehr gut geordnet und ich kenne mich aus, wie’s weitergeht.
Was mich ganz kribbelig macht im Bauch ist die Tatsache, in wenigen Kurbelumdrehungen meine Reifen auf französischem Territorium rollen werden. Das ist wirklich ziemlich unpackbar für mich. Ich freue mich allerdings riesig. Der Grenzübergang geht ganz ratzfatz natürlich, dank Schengen, und plötzlich ist es, als wäre ich in einer anderen Welt. Die Straßen, die Häuser, die Verkehrsschilder – alles sieht so anders aus, so vertraut französisch. Im Fahren beginne ich euphorisch vor mich hinzuplappern in der Sprache Molières, allerdings vor allem so banale Wörter wie “Bonjour”, damit das so richtig sitzt und ich nicht gleich von vornherein als Ausländer belächelt werde. Das klappt auch ganz gut mit dem Bonjour, ich kann es auch an den passierenden Radlern recht gut üben – und oh wunder: alle grüßen freundlich zurück! Ganz anders als in Österreich erwidern sogar Rennradler (Rennradler!) meine Grußformel. Das Bonjour geht den Franzosen irgendwie doch recht locker über die Lippen, und das finde ich sympathisch. Wer nicht grüßen kann, wirkt irgendwie sofort arrogant. Oder unhöflich. Siehe: österreichische Rennradler (sorry fürs stereotypisieren, aber beweist mir das Gegenteil!). Und auch in den nächsten Tagen ändert sich an der Freundlichkeit der französischen Cyclisten nichts.
Kurz nach Basel macht sich der Rheinfluss selten, er zieht nach Norden ab. Dafür führt meine Route nun einem Canal entlang, dem Canal du Rhône au Rhin. Der EuroVelo6 ist hier am Anfang noch geschottert, aber kurz danach bestens asphaltiert und erlaubt nette Geschwindigkeiten. Quasi null Steigungen bis Mulhouse. Und das mitten im mit Bergen so reich gesegneten Europa. Sehr angenehm. Enchanté.
Kurz vor Mulhouse sehe ich am Wegrand ein Rad mit schweren Packtaschen – keine Frage, das muss ein Touring-Esel sein! Die Besitzerin macht gerade eine Rast, woraufhin ich sie gleich (auf deutsch, da ihre Taschen deutsche Aufschriften tragen) anspreche: es handelt sich um Heidi aus Stuttgart, die soeben ihre erste Etappe am Weg nach Chartres zurücklegt – ebenfalls mit Tagesziel Mulhouse. Auch sie wird campen. Wir verabschieden uns bis später und ich düse der beschaulichen Stadt im Elsass entgegen. Dank GPS und Navigation am iPad finde ich problemlos ins Stadtzentrum, trotz verwirrender Verkehrsführung.
Am Hauptplatz angekommen, gönne ich mir ein großes Subway-Sandwich und raste mich ein bisschen aus. Bei dem WLAN hier kann ich mir auch eine Session Instagram nicht verkneifen. Erst gegen Abend bewege ich mich zum Zeltplatz, wo Heidi, die ich auf Ende 40 schätze (und ich bin miserabel im Alterschätzen), bereits ihr Nachtlager aufgebaut hat. Den restlichen Abend verbringe ich mit Dosenravioli, -bier und einer netten Unterhaltung mit Heidi, die bereits Jakobsweg-erfahren und auch sonst eine ziemliche Reisefanatikerin ist.

11.4.14

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